Ehrenamtliche schenken Pflegebedürftigen ihre Zeit

Veröffentlicht am 14.07.2004
in Ludwigsburger Kreiszeitung

 Neues Projekt von Freiwilligen-Forum und Seniorenbüro soll Angehörige von Demenz-Kranken entlasten – Start 2005

Pflege nur als Ausnahme: Ehrenamtliche Betreuer sollen künftig in erster Linie Zeit schenken. Archivbild: Drossel



„Angehörigen, die Demenz-Kranke zu Hause pflegen, gelangen häufig an den Rand ihrer körperlichen und seelischen Grenzen“, weiß Dr. Brigitta Florian. Mit Freiwilligen-Forum und Seniorenbüro hat sie das Projekt „Häusliche soziale Betreuung durch Ehrenamtliche“ ins Leben gerufen. Ab 2005 sollen engagierte Bürger den betroffenen Familien Zeit schenken.
„Das Projekt ist ein Baustein im Netz der ambulanten Pflege“, sagt Katja Schottmüller-Reinle vom Freiwilligen-Forum. Ehrenamtliche Betreuer sollen künftig zwei oder drei Mal im Monat Demenz-Kranke zu Hause besuchen und mit ihnen für einige Stunden malen, basteln, Musik hören oder einfach reden. „In der Zeit können die Angehörigen dann mit gutem Gewissen mal zum Frisör gehen oder einfach entspannen.“ Auch für die Erkrankten selbst gebe es Vorteile. „Sie bekommen einen regelmäßigen Ansprechpartner, der nicht gestresst ist und der sich wirklich Zeit für sie nimmt.“
Die geplante Betreuung durch Ehrenamtliche will den bestehenden ambulanten Pflegediensten bewusst keine Konkurrenz machen. „Die freiwilligen Helfer sollen die Kranken weder pflegen noch für sie einkaufen“, betont Schottmüller-Reinle. Den betroffenen Menschen Zeit zu schenken, sei bisher aber in der Pflege eine Lücke gewesen.
Die Initiatoren stellen das Projekt am Donnerstag, 22. Juli, um 15 Uhr in der Begegnungsstätte an der Stuttgarter Straße 12/1 vor. Gesucht werden Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, und betroffene Familien in Ludwigsburg, die diese Dienste in Anspruch nehmen möchten. „Es geht schwerpunktmäßig um Demenz-Kranke, aber auch um alle anderen, die zu Hause leben und nicht allein gelassen werden können“, erklärt Dr. Florian.
Eine Schulung ab September wird die ehrenamtlichen Betreuer auf ihre Tätigkeit vorbereiten. In 20 Unterrichtseinheiten erfahren sie mehr zum Krankheitsbild der Demenz, bekommen Tipps, womit sie sich mit den Betroffenen beschäftigen können, und lernen einfache Pflegehilfen wie den Transport vom Bett in den Rollstuhl.
Ab Januar 2005 soll es dann praktisch losgehen. Zwei oder drei Ehrenamtliche werden sich abwechselnd um einen Pflegebedürftigen kümmern. So kann auch bei Urlaub oder Krankheit eine kontinuierliche Betreuung durch vertraute Menschen gewährleistet werden.
Wie häufig die Freiwilligen ihre Zeit zur Verfügung stellen, können sie individuell mit den betreffenden Familien absprechen. „Drei Einsätze im Monat ist etwa die obere Grenze“, sagt Mariele Kerkhoff vom Seniorenbüro. „Es ist ganz wichtig, dass das ehrenamtliche Engagement kalkulierbar und dosierbar ist. Dann ist auch die Bereitschaft da.“
Das Projekt-Team ist zuversichtlich, dass sich genügend Freiwillige melden. „Es ist ein Akt der Menschlichkeit und eine gute Möglichkeit nicht nur für Rentner, sich sinnvoll zu betätigen.“ Annette Kosakowski

Stichwort: Projekt
(ako) – Die „Häusliche soziale Betreuung durch Ehrenamtliche“ ist das erste Freiwilligen-Projekt im Kreis, das sich an Demenz-Kranke richtet, die zu Hause betreut werden. Die Familien, die die Dienste der ehrenamtlichen Betreuer in Anspruch nehmen, müssen pro Besuch eine Gebühr von zehn Euro zahlen. Die ehrenamtlichen Helfer erhalten eine Pauschale von fünf Euro pro Einsatz, um ihre Fahrtkosten zu decken.
Von den Ehrenamtlichen wird erwartet, dass sie sich auf möglicherweise schwierige Menschen einlassen können, verlässlich und verschwiegen sind und regelmäßig Besuchsberichte führen. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht.

Ludwigsburger Kreiszeitung

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